ARBEIT IST KEIN SELBSTZWECK!
„Wer essen will, muss auch arbeiten!“ So hat es Franz Müntefering einmal formuliert.
Aber stimmt das auch?
Ist unser Existenzrecht an eine Pflicht gekoppelt,Erwerbsarbeit zu leisten?
Wie viele Menschen gehen einer Erwerbsarbeit aus einem inneren Bedürfnis nach, sehen darin wirklich die höchste Form der Selbstverwirklichung?
Ist es nicht in den meisten Fällen so, dass wir gegen Entgelt Arbeit verrichten, um uns außerhalb der Arbeit, also in unserer Freizeit, ein besseres Leben zu ermöglichen, uns Dinge „zu leisten“?
Wo liegt der Sinn einer Arbeit, in der man manuell Dinge herstellt, die jeder Automat in sehr viel höherer Präzision, größerer Qualität und praktisch unbegrenzter Stückzahl produzieren kann?
Ist es eine sinnvolle Arbeit, immer neue Formulare, Regeln, Ausnahmetatbestände und Verfahrensweisen zu entwickeln, um den Bürger zu gängeln und auf der anderen Seite Leute mit Wegen und Möglichkeiten zu beschäftigen, diese Regeln zu interpretieren, zu strecken und zu umgehen, sei es im Kündigungsschutz oder in der Steuervermeidung?
Wie sinnvoll ist es, Waren zu produzieren, die nach Ablauf von Gewährleistung und Garantie zwangsläufig kaputt gehen, um den Konsum im Wirtschaftskreislauf im Gang zu halten, und dann Menschen zu beschäftigen, die so verschwendeten Ressourcen wieder einzusammeln, zu trennen und zu recyceln?
Die Politik verkauft uns ein „Jobwunder“, dasselbe Jobwunder, das Bill Clinton seinerzeit den US- Amerikanern verkauft hat! Es besteht weitgehend aus geringfügigen und prekären Beschäftigungsverhältnissen, Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit und anderen Zumutungen, die gemeinsam haben, dass sie in den meisten Fällen nicht existenzsichernd sind. Im Einzelhandel wird es für die breite Masse in sehr absehbarer Zeit keine Jobs oberhalb eines „Regalauffüllers“ mehr geben, die Logistikbranche könnte schon heute praktisch ohne Personal auskommen. Vernetzte Technik übernimmt das Bestellwesen und die Bestandskontrolle im Lager, Verpackungsmaschinen bereiten den Transport, demnächst in selbstfahrenden Fahrzeugen vor, Testläufe einer Zustellung durch Drohnen an den Endabnehmer verlaufen längst erfolgreich. In vielen anderen Branchen sieht es nicht besser aus. Erwerbsarbeit in der Industrie wird keine Zukunft haben, im Handwerk nur mit immer größer werdenden Einschränkungen. Die vornehmste Aufgabe von Betriebsräten ist bereits heute die sozialverträgliche Abwicklung von Arbeitsplätzen. Die Gewerkschaften ignorieren hartnäckig, dass die Tarifbindung von Unternehmen von Jahr zu Jahr sinkt. Ging es ihnen vor Jahrzehnten noch um betriebliche Mitbestimmung, bessere Arbeitsbedingungen oder Arbeitszeitverkürzungen, so verhandeln sie heute lediglich über bescheidene Tariferhöhungen für die aktuell noch Beschäftigten, die aber tatsächlich nur für wenige davon zum Tragen kommen. Gleichzeitig nehmen sie für sich in Anspruch, die Erwerbslosen mit zu vertreten und halten beharrlich am Ideal der „Vollbeschäftigung“ fest, die es niemals gab und in Zukunft erst recht nicht geben wird, es sei denn kurzzeitig als Folge eines verheerenden Krieges!
Wenn der tiefere Sinn eines Menschenlebens wirklich darin bestehen soll, in Abhängigkeit gegen Bezahlung für andere zu arbeiten, warum wollte man dann diesen Sinn durch kürzere Wochenarbeitszeiten schmälern, als ihn durch eine Ausweitung zu vergrößern?
Tatsächlich steht jeder Mensch im Wettbewerb mit seinen Mitmenschen, bislang ist die Bezahlung, der Ertrag aus seiner Tätigkeit der einzige allgemein anerkannte Maßstab für seinen Erfolg. In einer Zeit, in der die z.B. Erträge aus weltweiten Finanzwetten oder die Nutzungsüberlassung von bereits vorhandenen Werten diejenigen aus der Warenproduktion um ein Vielfaches übertreffen, ist eine solch einseitige Betrachtungsweise aber völlig überholt. Gerade sinnvolle Arbeit, die nicht oder noch nicht vollständig von Maschinen übernommen werden kann, wird in unserer Gesellschaft am lausigsten bezahlt und somit am wenigsten anerkannt. Beispiele sind Pflege- und Betreuungs-berufe oder Sozialpädagogen, die eine aufwendige Ausbildung und erheblichen
persönlichen Einsatz erfordern, finanziell aber nicht besser gestellt sind als Beamte im mittleren Dienst. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis aus einem ausgedienten Schwarzweißfernseher ein Farbfernseher wurde, vom ersten Flüssigkristallbildschirm zu HD, 3D und Ultra HD kaum mehr als ein Jahr. Ein Großrechner aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in Größe eines Mehrfamilienhauses war sehr viel weniger leistungsfähig als dasaktuell günstigste Smartphone, das wir einstecken haben. Waren werden nicht mehr zwangsläufig produziert, sondern einfach gedruckt. Güter,Gegenstände, Lebensmittel. Solange der Vorrat an Rohstoffen reicht!
Aber am Fetisch Arbeit sollen wir festhalten! An den Rezepten aus dem letzten Jahrtausend, die damals schon nicht wirklich funktionierten!
Die Linken tun es, weil Papa Marx es vor 170 Jahren als brillanter Ökonom einmal so postuliert hat und deshalb ungeachtet all seiner Defizite als
Halbgott zu verehren ist, unsere Eliten, weil es ihre Vormachtstellung
fortschreibt, alle anderen, weil sie es nicht besser wissen oder nicht
besser wissen wollen!
Unabhängig davon gilt aber in einem Sozialstaat wie der Bundesrepublik
Deutschland für jeden, der existiert, ein Recht auf Existenz und Teilhabe. Unabhängig davon, ob gegen Bezahlung Arbeit verrichtet wird! Münteferings Postulat ist also schlicht grundgesetzwidrig!
Wir benötigen dringend einen grundlegenden Umbau unseres Sozialstaats,
der vom Faktor Arbeit entkoppelt ist und Existenz und Teilhabe gewährleistet, ohne dabei die Reichen und Mächtigen aus der Pflicht zu nehmen.
Gegenwärtig kann dies lediglich über ein Bedingungsloses Grundeinkommen erreicht werden.